Felix Banholzer im Interview
Felix Banholzer ist Regisseur, Schauspieler und Gründungsmitglied der Organisation bridgeworks. Seit 2013 arbeitet er freiberuflich als Theatermacher mit einem Fokus auf transkulturelle Projekte in unterschiedlichen Konstellationen. Nach seinem letzten Stück bei uns am Haus »شلل paralyse« folgt nun eine Stückentwicklung zum Thema Streitkultur/Wrestling: »What the Fuck« haut dem Publikum lustvoll die aktuellen Diskurse um die Ohren, nimmt Klimaleugner und political correctness in den Schwitzkasten und wrestlet um die Deutungshoheit! Premiere ist am 16.11.2023 im Studio des Heimathafen Neukölln.
”Beim Verfolgen der medialen Debatten um diverse aktuelle Themenfelder, scheint der öffentliche Raum mehr denn je einer Kampfarena zu gleichen.
Wie bist du auf die Idee zu dem Stück gekommen?
Wie können wir trotz Unterschieden und Uneinigkeiten einen Zustand der friedlichen, gesellschaftlichen Ko-existenz erreichen? Auf dieser Frage basiert die Idee des Stückes. Beim Verfolgen der medialen Debatten um diverse aktuelle Themenfelder, scheint der öffentliche Raum mehr denn je einer Kampfarena zu gleichen: Die großen Vereinfachungen in Form von Recht-Unrecht, Falsch-Richtig, Gut-Böse prägen unsere Debatten. Unvereinbarkeit und Polarisierung scheint Grundvoraussetzung für Meinungsäußerungen geworden zu sein. Es mangelt an der Gewissheit, dass alles – aber auch wirklich alles – subjektiv ist und es mehrere Blickwinkel auf Themenkomplexe gibt und mehrere Wahrheiten.
Die Idee zu »What the Fuck« kam daher aus dem großen Wunsch einen »anderen« Diskussions-Raum zu kreieren. Einen komischen, einen überhöhten Raum, einen unernsten Begegnungs-Raum: …ein Wrestling-Szenario!
Was können wir von »What the Fuck« erwarten?
»What the Fuck« ist ein performativer Versuch, ein musikalischer Theaterabend, der auf unterhaltende Weise die Absurdität der Gesellschaft darstellt. Wir schlagen dabei immer wieder Brücken zum persönlichen Scheitern an der Komplexität der Welt und dem Wunsch sich auf der richtigen Seite der Geschichte zu verorten. In diesem Projekt interessiert mich eher die Form als die Inhalte der Debatten, die menschlichen und persönlichen Konflikte, die die Auseinandersetzung mit der Deutungshoheit über komplexe Sachverhalte mit sich bringen. Ich meine ‘what the fuck’?! …wenn die Welt einfach wäre, wäre sie ja nicht so komplex.
Das Publikum darf sich daher mehr auf unterhaltende Fragen und musikalisch-szenische Elemente als auf konkrete Antworten freuen. Die Deutung überlassen wir jeder/jedem Einzelnen/m Vorstellungsbesucher*in.
Wie hat sich das Ensemble zusammengefunden?
Das Ensemble besteht aus alten Wegbegleiter*innen, mit denen ich schon mehrere Projekte realisiert habe und neuen Gesichtern, die aus dem erweiterten Bekanntenkreis stammen. Eine spannende Konstellation von Musiker*innen und Performer*innen hat sich da zusammengefunden – über die ich sehr glücklich bin. Gemeinsam versuchen wir uns ganz unsportlich dem Wrestling-Genre anzunähern.
»What the Fuck« ist eine Stückentwicklung – heißt das, du musst als Regisseur Kontrolle abgeben? Welche Vor- bzw. Nachteile ergeben sich aus diesem Ansatz?
Kontrolle ist ein großes Wort, von dem ich mich hier eher distanzieren möchte. Ich glaube fest an Gruppen von Menschen, die gemeinsam Denken und sich an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen abarbeiten. Bei einem solchen Ansatz bricht sich vielleicht auch eine klassische Vorstellung von Regiearbeit – ich verstehe mich eher als Theatermacher in verschiedenen Funktionen. Die Kunst liegt in der Moderation von Denk- und Probenprozessen. Mit mir zu arbeiten, bedeutet in einen Probenprozess einzusteigen, der von Wechselwirkungen und gegenseitiger Inspiration geprägt ist. Mich interessiert die Widersprüchlichkeit und deren kreative Energie mehr, als wenn Darsteller*innen nur Ausführer*innen von (m)einem persönlichen Kunstverständnis und Weltbild wären. Im Kollektiv liegt Kraft! Dabei muss man dem gemeinsamen kreativen Prozess erstmal blind vertrauen, sonst kann ein solcher Ansatz auch scheitern.
Kannst du gut streiten?
Schwierige Frage. Streit kann plump und verletzend sein oder auch konstruktives Potential enthalten. Natürlich kommt es auch darauf an, worüber und mit wem gestritten wird. Bei radikalen Positionen und geschlossenen Werte- und Denksystemen kann sich ein Gespräch oft in toxischen Streit wandeln. Ich denke meine persönliche Veranlagung liegt eher darin, Streit zu vermeiden und in einen Dialog zu übersetzten. Falls es aber doch mal hitzig und emotional wird, was es bei den schwierigen gesellschaftlichen Fragen des Zusammenlebens schnell werden kann, versuche ich ein »guter« Streiter zu sein (was auch immer das sein mag).
Die derzeitige Kultur der Auseinandersetzung wahrnehmend, denke ich nichtsdestotrotz, dass wir alle lernen sollten, wieder mehr die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede zu benennen und von einem »common ground« aus die gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Denn ob wir wollen oder nicht, wir teilen uns dieselbe Welt und leben zur selben Zeit.
Ist Wrestling die Lösung aller Probleme?
Der Show-Kampf ist allemal besser als jedwede physische Auseinandersetzung. Es ist der Versuch einer Begegnung und der Gegenüberstellung vermeintlich unvereinbarer Positionen. Wenn Rationalität und Vernunft nicht mehr greifen, brauchen wir vielleicht die Überhöhung, den Klamauk und den inszenierten Kampf, um wieder ins Gespräch zu kommen. Daher weiche ich der Frage aus und sage »…kann, muss aber nicht«.
Wann dachtest du dir zuletzt »What the Fuck«?
Heute Morgen, als ich mir die aktuellen Nachrichten durchgelesen habe.
Mit welchem Gefühl verlässt man das Stück?
Hoffentlich mit dem Gefühl, unterhalten und zum Nachdenken angeregt worden zu sein. Und vielleicht mit dem Wunsch, sich auch mit anderen Positionen als der eigenen auseinanderzusetzen.