Konstantin Achmed Bürger im Interview

Am 25. Mai 2024 feiern wir die Premiere von »Post Daddies« bei uns im Studio. Ein humorvoller und radikaler Selbsterkundungsabend in mehreren Kapiteln – mit den israelischen queeren Performer*innen und Pionieren Ariel Nil Levy und Noam Meiri. Grund genug für ein paar Fragen an den Deutsch-Jemenitischen Regisseur des Stücks: Konstantin Achmed Bürger.

Und dennoch darf Kunst eines sicher nicht sein: Harmonisierend.

Wie bist du auf die Idee zu dem Stück gekommen?

Die Idee zu »Post Daddies« kam mir spontan 2022 bei einem gemeinsamen Abend mit älteren Queers, bei dem auch zwei, drei jüngere Schwule anwesend waren. In Berlin ging in der schwulen Community damals gerade das Angstgespenst der sexuell übertragbaren Affenpocken herum und alle versuchten, auf irgendeine Art und Weise panisch an den raren Impfstoff zu kommen. Diese Situation hatte etwas Urkomisches und sorgte an dem Abend auch für jede Menge Spaß und Selbstironie. Plötzlich war Humor im Raum und wir kamen in einen Strudel des Erzählens über unsere unterschiedlichen Lebenswege und Begegnungen aus der Vergangenheit. Aber der eigentliche Impuls war – und das Überraschende für mich – mit welchem Staunen und welcher Neugierde die jüngeren anwesenden Queers unseren Geschichten aus einer analogen Welt zuhörten und wie wenig sie darüber wussten. Uns wurde bewusst, fuck: Wir sind tatsächlich die Alten. Da gibt es eine Kluft. Wir wissen so wenig voneinander.

Was können wir von Post Daddies erwarten?

Einen Hybrid aus Revue, Improvisation, Lebensbeichte und Clownerie mit zwei wundervollen Schauspielern. Wobei Beichte nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern es geht um eine Selbstbespiegelung. Wünsche, Träume und Lebenslügen werden gnadenlos, aber mit viel schwarzem Humor beleuchtet. Es geht uns um die Konfrontation mit verschiedenen Generationen, aber auch um einen Erfahrungsaustausch. Wie haben sich Lebensentwürfe und Kämpfe geändert? Was ist gleich geblieben? Wie blickt eine Generation, welche die AIDS-Epidemie und Ausgrenzung heftig erfahren hat, auf die woken Jungen und deren Grabenkämpfe? Während im ersten Teil des Stückes radikal und schonungslos abgerechnet wird, stellt der zweite Teil das Verbindende in den Vordergrund. Zusätzlich gibt es bei »Post Daddies« noch eine weitere kulturelle Reibungsfläche: zwei queere Israelis, die in Deutschland leben, mit einem deutschen Regisseur, der auch Wurzeln im Jemen hat.

Wie hat sich das Ensemble zusammengefunden?

Ariel Nil Levy kannte und schätze ich schon länger als Schauspieler und Performer. Mich faszinieren seine Person und seine Arbeiten, auf der Bühne und im Film. An dem besagten Abend erzählte – eigentlich performte er auf eine ganz verspielte Art – ein paar seiner real erlebten Geschichten und das auf so eine urkomische und kluge Art und Weise und mit so einer großen Erzählkraft und Wut, dass ich sofort Lust auf eine gemeinsame Zusammenarbeit bekam. Dann schlug er mir die Idee vor, ob wir nicht Noam Meiri mit auf die Bühne holen wollen und ich war sofort damit einverstanden. Noam war an dem Abend ebenfalls Gast und ich fand auch seine Erzählungen ungemein reizvoll. Henri Maximilian Jakobs kam dann als Dritter an Bord, als uns klar war, dass wir einen guten Musiker mit dabei haben wollten und jemanden aus der jüngeren queeren Generation. Als Gegenpol zu uns Alten.

»Post Daddies« ist eine Stückentwicklung – heißt das, du musst als Regisseur Kontrolle abgeben? Welche Vor- bzw. Nachteile ergeben sich aus diesem Ansatz?

»Post Daddies« ist meine erste Stückentwicklung. Die Herausforderung dabei ist, die eigene Phantasie, Wünsche und Vorlieben erzählerisch und ästhetisch zu verarbeiten, ohne auf ein Stück oder klare Plots zurückzugreifen. Es gilt, die verschiedenen kreativen und ästhetischen Einfälle und Ideen der Schauspieler und meine eigenen Ansätze und meinen Zugang zu dem Thema unter einen Hut zu bringen, ohne die dramaturgische Struktur, die ursprüngliche Idee, den eigentlichen Impuls für den Abend zu verlieren. Es gibt ein Thema und ein Skelett, aber der Inhalt wird erst im Laufe der Proben entstehen. In der Hoffnung, dieser Homunkulus besitzt genug Anima, um lebendig Schrecken und Lachen zu verbreiten. Es geht mir um pures Theater, um ein direktes Erleben.

Kannst du gut streiten?

Grundsätzlich mag ich persönlich Streit überhaupt nicht. Ich würde mich leider eher als zu harmoniesüchtig beschreiben, was natürlich nicht immer gut ist, da diese Sucht auch Streit provozieren kann. Um dem aber vorzubeugen, was natürlich nicht immer gelingt, versuche ich, gedanklich und emotional meine Gegenüber gut zu verstehen, was sie denken, was sie fühlen könnten oder eben fühlen. Da wir aber alle aus unterschiedlichen Richtungen kommen, unterschiedliche Vorstellungen, Erfahrungen, Ideen vom Leben, der Arbeit haben und unterschiedliche Begrifflichkeiten mitbringen, lassen sich hitzigere und scharfe Debatten nicht immer vermeiden. Aber es widerspricht meiner privaten Natur. Ich glaube bei der Arbeit an »comrads of crime«. Und dennoch darf Kunst eines sicher nicht sein: Harmonisierend.