WERA HERZBERG: Heimweh Wonach
Am 10. Januar 2025 feierten wir die Premiere von »Heimweh wonach« bei uns im Studio. In ihrem Stück erzählt die 76-jährige Wera Herzberg die Geschichte ihrer Mutter, die als jüdisches Kind während des aufkommenden Faschismus ausgegrenzt und mit 17 nach England ins Exil geschickt wurde, nach Kriegsende in der DDR zur unnahbaren Staatsanwältin und alleinerziehenden Mutter wurde – und zeigt damit, wie eng Privates und Politisches verwoben sind und wie eine späte Annäherung zwischen den Generationen letztlich doch noch geschehen kann. (Foto: Ina Schoenenburg/Ostkreuz)
”Privates und Politisches spielt hier immer zusammen. Man versteht: Die Geschichte von Mutter und Tochter ist auch unser aller Geschichte in Deutschland. (Regine Bruckmann auf Radio 3, rbb)
Es ist eine wahre Geschichte und eine, die ihre Zeit gebraucht hat, um ihren Weg als Theaterstück auf die Bühne zu finden. »Meine Brüder«, sagt Wera Herzberg, »haben schon sehr viel früher über unsere Mutter geschrieben.« Aber irgendwann wurde für Wera Herzberg immer klarer: Auch sie muss diese Geschichte erzählen. Auch, weil sie als einzige Tochter vielleicht noch eine andere Perspektive erzählen kann. Sie litt unter den Wutausbrüchen der jähzornigen Mutter und musste gleichzeitig als Kind die Hoffnungsträgerin sein für das neue System, musste als Junge Pionierin vorbildlich sein. Wera Herzberg zeigt in HEIMWEH WONACH die Entwicklung, wie aus der Tochter, die es gelernt hatte mit der unnahbaren und gefühlskalten Mutter umzugehen, eine junge Frau wird, die spürt, dass sich hinter dieser Fassade aus unbestechlicher Staatsanwältin und alleinerziehender Mutter in der DDR noch etwas verbirgt – ein Schmerz, der die Gefühle erstickt und sich als Wut Bahn bricht.
Sie kennt nur Bruchstücke, aber keine Gefühle dazu. Sie weiß, dass die Mutter als jüdisches Kind in Ostberlin während des beginnenden Faschismus Ausgrenzung und Demütigung erlitten hat, dass sie als 17-Jährige mit einem der letzten Kindertransporte nach England ins Exil kam, dass sie dort den Vater kennenlernte, einen Kommunisten, der sie überredete nach Kriegsende wieder zurück in das vollkommen ausgebombte Berlin zurückzukehren. Sie kennt die Erzählung von der Hoffnung, eine neue gerechte Gesellschaftsordnung mit aufzubauen. Doch die Mutter kann bis zum Schluss nicht darüber sprechen, was sie wirklich fühlt. Zu schwer lastet der Schmerz auf ihr, der große Schmerz ihres Lebens: die Ermordung der eigenen Mutter in Auschwitz. Sie wollte ihre Mutter nachholen nach England, doch dann war es zu spät.
Die Fragen der Tochter lassen nicht locker, mal zart und feinfühlig, und dann wieder voller Anklage. Sie wollen die Sprachlosigkeit zerschlagen. Aber sie kommen kaum an sie ran.
Mit 76 Jahren bringt die Tochter nun diese Annäherung auf die Bühne und schafft es so, der Mutter die Anerkennung zukommen zu lassen, wie es ihr zu deren Lebzeiten nie möglich gewesen wäre.
Fotos: Ina Schoenenburg/Ostkreuz
”Ich glaubte, die Welt umgestalten zu können, eine bessere und gerechtere Welt schaffen zu können. (LIEBLINGSZITAT aus Heimweh wonach)