Therese Schmidt und Wolfgang Heiniger im Interview
Am 11. Oktober 2024 feierten wir die Premiere von »The Great Reset« bei uns im Saal. Ein rasanter und humorvoller Revueabend in mehreren Kapiteln – mit dem Bundesamt für Neuanfang, der Band »The Mothers of Denial« und dem Unität-Chor des Studierendenwerkes Berlin. Grund genug für ein paar Fragen an Regisseurin Therese Schmdit und Dramaturg Wolf Heiniger.
”Dieses Wechseln der Rollen und Einnehmen neuer Perspektiven hat für mich auch etwas mit Neuanfang zu tun
Liebe Therese, Lieber Wolf, wie kam euch die Idee zu dem Stück GREAT RESET?
Nun ja: »Death is not the End« und hinter´m Horizont gehts weiter… Nach den »7000 Übungen, das Ende der Welt zu vert(r)agen«, die wir letztes Jahr im Studio des Heimathafen aufgeführt haben und angesichts der galoppierenden multiplen Krisen, gab es für uns nur eine Möglichkeit: den großen Neustart. Mit »The Great Reset« proklamieren wir, dass die Welt, so wie wir sie zu kennen glaubten, nicht mehr existiert. Das ist natürlich erst mal mit Schmerz und einer Verlusterfahrung verbunden, aber wir suchen gemeinsam nach dem Neuen, dem Erwünschten und Ersehnten. Dazu haben wir das Bundesamt für Neuanfang gegründet und viele Interviews mit Bürger*innen zum Status quo und dem Wunsch nach Veränderbarkeit geführt.
Wie ist für dich, Therese, die Doppelrolle der Autorin, Regisseurin und Sängerin? Ist das eine besondere Herausforderung? Und wie löst Du diese?
Das ist eine ganz besonders schöne Erfahrung, da ich so mit dem Stück noch enger verflochten bin als wenn ich »nur« Regisseurin bin. Ich singe seit ich denken kann, daher ist für mich der Schritt zum Mikrophon eine konsequente Weiterentwicklung in meiner Arbeit. Diese Mehrfach-Rollen nehmen in unserem Stück ja viele ein: beide Wissenschaftler stehen neben der beratenden und begleitenden Forschung in unterschiedlichen Rollen auf der Bühne, die Chorleiterin spielt in der Band Orgel, Wolfgang Heiniger ist nicht »nur« Autor, sondern Bassist der Band »The Mothers of Denial« und auch das Publikum ist ja nicht nur stiller Beobachter…
Dieses Wechseln der Rollen und Einnehmen neuer Perspektiven hat für mich auch etwas mit Neuanfang zu tun: die Bereitschaft, sich auf ungewohnte Dinge einzulassen, neue Perspektiven zu entdecken und seiner Leidenschaft zu folgen.
Wie ist dadurch der Probenprozess?
Bereits im Probenprozess wurde sichtbar, wieviel Spaß das Neue und Ungewohnte machen kann. Wir arbeiten ja unter anderem auch mit dem Chor des Studierendenwerkes Berlin zusammen, viele der Sänger*innen waren noch nie szenisch in ein Stück eingebunden. Aber die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen setzt ungeahnte Energien frei und kann auch viel Spaß machen. Uns macht es wahnsinnig viel Spaß, so unterschiedliche Menschen mit diversen Herkünften und Berufen zu verbinden und sich gemeinsam auf eine theatralische Reise zu begeben. Umso mehr sind wir gespannt, wie der Dialog mit dem Publikum funktioniert.
Das Stück hat viele verschiedene Elemente und Ebenen: Theater, Band, Chor, Sound- und Lichtinstallation, Publikumspartizipation, Bürgerrat, Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten, etc. Wie bringt ihr das alles zusammen? Wie würdet ihr das Stück einordnen? Gab es so was schon mal?
Ein Merkmal von mehrblick&ton ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener ästhetischer und inhaltlicher Ebenen. Wir lieben die Grenzüberschreitung – diesmal ist sie besonders wild im Zusammentreffen von z.B. Renaissance Musik und Rock, Wissenschaft und Tanz… Aber auch hier erhoffen wir uns durch das Aufzeigen neuer Verbindungen neue Perspektiven. Zugegebenermaßen: einordnen lässt sich das Stück schwer, es hat von Vielem etwas: Musiktheater, Revue, Rock-Konzert, Science Slam, Performance, Kabarett, dokumentarisches Theater, partizipatives Theater…
Wie geht es weiter? Sowohl mit den Ergebnissen der Begleitforschung als auch für euch? Was kommt nach dem Neuanfang?
Das ist eine gute Frage: wir haben so viel Material und Ideen für mindestens drei weitere Stücke. Aber die Förderlandschaft der Freien Szene weist ja leider in keine gute Zukunft. Es ist ein großes Drama für alle Künstler*innen. Wir können genauso wenig planen und nur das tun, was in so einer Situation richtig ist: sich einmischen, die Stimme erheben, meckern und dabei die gute Laune nicht verlieren (und das gilt ja nicht nur für die Freien Künste…)