Lisa Kirchhoff im Interview

Unser Spielzeitmotto COMMITMENT für die Spielzeit 2025/2026 ist Aufforderung und Statement zugleich. Irgendwo zwischen Utopie und Dystopie wollen wir uns aus der Lähmung des Dazwischens befreien und verstehen, dass es darauf ankommt: Auf das Hier und auf das Jetzt.

Die Videoarbeit »Who can I be if I am not a tree« von Lisa Kirchhoff dekonstruiert die Grenzen zwischen Mensch, Natur und Technologie. Sie wirft die Frage nach der Identität in einem posthumanistischen Zeitalter und der akuten Bedrohung durch unser begrenztes anthropozentrisches Weltbild auf. Interview: Hanna Mattes.

Und jede künstlerische Arbeit an sich ist ein neues, ein weiteres Commitment. Einerseits der künstlerische Prozess selbst, aber vor allem auch die Positionierung, das Statement, das in den Raum gestellt wird.

LISA KIRCHHOFF ist Medienkünstlerin, ihre Videoarbeiten und Installationen kreisen um postnaturale Überlegungen und damit einhergehende Fragen nach Identität und Körper – sei es der fleischliche, der digitale oder der soziale Körper –, sowie das Hinterfragen von Machtverhältnissen. Basierend auf einem feministisch geprägten Blick auf bestehende Systeme, untersucht sie diese kritisch: In einer künstlerischen Annäherung wird der Versuch eines Neudenkens unternommen – von Natur, von Körper, vom anthropozentrischen Blick.

Liebe Lisa, was ist COMMITMENT für dich?

Die Frage finde ich tatsächlich nicht leicht zu beantworten, weil das so ein großes Thema ist und sehr vom Kontext abhängt. Aber es steckt natürlich drin, Verantwortung für etwas zu übernehmen, etwas durchzuziehen, ausdauernd zu sein und vor allem auch sich zu positionieren. Im Kontext von Kunst würde ich sagen: Sich zu entscheiden. Künstler*in zu sein ist an sich schon in vielerlei Hinsicht ein Commitment, sowohl strukturell als auch inhaltlich. Und jede künstlerische Arbeit an sich ist ein weiteres. Einerseits der künstlerische Prozess selbst, aber vor allem auch die Positionierung, das Statement, das in den Raum gestellt wird.

Im RIX zeigst du im Moment eine Variation der Arbeit »Who can I be if I am not a tree«. Worum geht es darin?

Es geht eigentlich um Fragen nach Identität und Ambivalenzen in einer Suche nach dem Selbst. Wer oder was bin ich in einer Welt, in der Natur nicht mehr als Natur im romantischen Sinne bezeichnet werden kann? Die geprägt ist von akuter Bedrohung durch ein vollständig ausgebeutetes Ökosystem und gleichzeitig alle Möglichkeiten bietet neue Realitäten und Welten zu schaffen? Wer möchte ich in so einem neuen System sein, in dem sich Mensch und Technik, Natur und Kultur nicht mehr als Gegensätze gegenüberstehen, sondern als ein ineinander verflochtenes Netz existieren? Es geht um Auflösung von Grenzen zwischen digitalen und nicht-digitalen Welten, beides ist gleich real, beides ist Teil des identitätssuchenden Prozesses, der sowohl offen als auch zirkulär ist. Ein ambivalentes Feld, indem Gegensätze gleichzeitig und ohne miteinander zu konkurrieren existieren: Dystopie und Utopie, Hoffnung auf Zukunft und Resignation, ein Verlorensein und gleichzeitig ein Verbundensein. Ausgehend von unserem begrenzten anthropozentrischen Weltbild, wird der nahezu unmögliche Versuch unternommen, neue Systeme und Sichtweisen zu finden, ohne doch jemals wirklich die menschliche Perspektive richtig verlassen zu können. Wo hört mein Körper auf, wenn nicht an der Haut? Wie sieht eine Zukunft in der Ambivalenz des tiefen Wunsches aus, sich wieder mit der Natur auf ihre uralte Weise zu verbinden und sich gleichzeitig in Cyborgs zu verwandeln?

Gibt es in deiner Arbeit theatrale Elemente?

Definitiv – allein schon durch die performativen Anteile, die in vielen meiner Arbeiten eine wesentliche Rolle spielen. Ich finde auch das Waldsetting hat in der Arbeit »Who can I be if I am not a tree« etwas sehr bühnenhaftes und inszeniertes. Gleichzeitig ist natürlich Video immer auch eine eigene Realität, in der durch die Digitalität spezifische Möglichkeiten und Grenzen vorhanden sind.

Was ist das Spannende an der Zusammenarbeit mit einem Theater?

Ich finde es spannend, durch die Zusammenarbeit mit einem Theater eben auch genau darüber nachzudenken, wie es aussehen könnte, diesen »Videoraum«, indem ich mich sicher und wohl fühle, zu verlassen. Und vielleicht mit meiner Arbeit in einen »Live-Raum« zu gehen, wie das Theater einer ist. Das wäre ein neuer und sicherlich inspirierender Aspekt für meine eigene Arbeit. Auch ein beängstigender allerdings – ich kann nicht so viel unsichtbar machen wie im Video oder so viel hinzufügen nachträglich.

Was wünscht du dir für die Zukunft? Wovon träumst du?

Als Künstlerin würde ich mir wünschen, dass Kunst als solches oder der Beruf Künstler*in einen echten Stellenwert bekommt in unserem System. Ich denke, für viele freischaffende Künstler*innen ist die Lebensrealität, die es teilweise bedeutet diesen Beruf zu ergreifen, sehr prekär. Kunst hat für den Kapitalismus keine Funktion – und ich meine Kunst und nicht den Kunstmarkt, der ja auch an sich ein eigenes Business ist. Wir leben einfach in einem System, dass leider immer noch getragen wird von unterdrückenden Strukturen. Aber ich denke, keine wirtschaftliche Funktion zu haben, sondern auf einer ganz anderen Ebene zu wirken, sollte doch zumindest genauso viel Bedeutsamkeit, oder eigentlich – in einer idealistischen Vorstellung – einen höheren Wert bekommen.