Frauke Boggasch
Die Geisterwesen von Frauke Boggasch spannen den visuellen Rahmen für unser aktuelles Spielzeitmotto AUGEN AUF UND DURCH.
Die Neuköllner Künstlerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit den Widersprüchen der Kunstproduktion. Neben der Malerei sind Film und Text bevorzugte Medien, um über Erlebtes und Erinnerung nachzudenken und sich mit Fragen der Herkunft, der Klasse und des Zugangs zum Kunstsystem auseinanderzusetzen. Mit ironischen Selbstinszenierungen kommentiert sie die ewigen Vorstellungen des Künstler*genies und interessiert sich insbesondere für japanische Underground-Kultur.
Fotos: Frauke Boggasch
”Es geht um jenen besonderen Blick, der einen anderen Zugang zur Welt ermöglicht.
Was fasziniert dich so an dem Geisterhaften?
Seit meiner Kindheit hat mich das Unerklärliche angezogen, Spukgeschichten und die Vorstellung von Geistern, die unsichtbar mit uns an einem Ort sein können. Als ich dann bei einem Japanaufenthalt auf die großartigen Darstellungen des japanischen Künstlers Toriyama Sekien gestoßen bin, der im Jahr 1776 ein kleines Büchlein mit Holzschnitten veröffentlicht hat, war ich begeistert: diese Nachtparade der 100 Geister und Dämonen ist beeindruckend, es gibt Tiergeister, Feuerwesen, menschenähnliche Charaktere – sie sind Verkörperungen für oft Unaussprechliches. Sämtliche Avantgarden haben sich in ihrer künstlerischen Arbeit von okkulten Ideen und Geistern leiten lassen, oft mit einem ironischen Augenzwinkern. Vielleicht hängt diese grundsätzliche Faszination auch mit der Frage zusammen, ob eine Welt ohne Wunder nicht ziemlich langweilig wäre!
Wie kann man es angemessen festhalten?
Gute Frage! In der klassischen Fotografie gab es dazu schon tolle Versuche, die sogenannte Geisterfotografie im 19. Jahrhundert. Mich interessiert eher die Beiläufigkeit oder Alltäglichkeit dieser Phänomene, wenn eine Hausfassade mit zwei Fenstern mich plötzlich ansieht oder wenn eine Zapfsäule an einer alten Tankstelle in Taiwan tatsächlich ein Gesicht hat, so dass ich völlig überrascht stehenbleiben musste und ein Foto gemacht habe. Ich mag auch kleine Inszenierungen, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind und sich mit der Absurdität unseres Daseins auseinandersetzen. Es geht um jenen besonderen Blick, der einen anderen Zugang zur Welt ermöglicht. Gerade weil die Vorstellung von Geistern so vielschichtig ist, vom (klassischen) Spiritismus bis hin zu einer naiv-kindlichen Imagination, ergibt sich eine Freiheit in der Dokumentation, die ich als Gegenentwurf zu einer meist nüchternen Realität sehr schätze.