Foto: Bohumil KOSTOHRYZ

3HD FESTIVAL 2023

The Pleasure of Pain

Marquis de Sade war einer der wenigen französischen Aristokraten, die während der Schreckensherrschaft von der Guillotine verschont blieben; ganz im Gegensatz zu unter anderem König Ludwig XVI. und Marie Antoinette sowie mehr als zehntausend weitere politische Gefangene, Priester und Adlige, die hingerichtet wurden. De Sade galt als Lüstling, der für seine Verderbtheit berüchtigt war, und die Auslegungen seiner Schriften reichten von skandalöser sexueller Abweichung über radikalen Nihilismus bis hin zu einer frühen Form des Sozialismus. Der Musik- und Theaterabend The Pleasure of Pain im Heimathafen Neukölln dreht sich um seine Idee, dass »man Vergnügen immer über den Schmerz erreicht«, und hinterfragt Ideen von Opulenz, Extravaganz und Gier und deren unheilige Liaison mit Armut, Entbehrung und Ausbeutung.

Im Gegensatz zu Sacher-Masoch’s Masochismus zieht de Sades Sadismus sein Vergnügen aus dem Leiden anderer, und »The Pleasure of Pain« schaut auf den alten Ballsaal in Rixdorf (heute ein Teil von Neukölln), um Hedonismus und Laster am Rande zu erkunden. Der historische Vergnügungsbezirk war ursprünglich ein mittelalterlicher Vorposten der Kreuzritter, der nach den protestantischen Exilant*innen aus dem heutigen Tschechien, die sich 1737 dort niederließen, als »Böhmisches Dorf« bekannt wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geriet Rixdorf in den sozialen Abstieg und war berüchtigt als proletarisches Zentrum voller Ausschweifungen.

Die von Creamcake organisierte 3hd-Veranstaltung bietet eine zeitgenössische Sichtweise auf das reißerische Verhalten und die protzige Zurschaustellung, die sowohl de Sades Spätbarock als auch die Weimarer Dekadenz in Berlin verkörpern. Eingeladene Künstler*innen präsentieren ihre eigenen, ungeschminkten provokativen und selbstbewussten Performances queerer Erotik und verdorbener Sinnlichkeit. Die Performance »WHO HURT YOU?« von BULLYACHE ist inspiriert von dem Erotikthriller »Showgirls«, dem »Ballett L’histoire de Manon« des Choreographen Kenneth McMillan und der erschütternden Geschichte des Meisterschaftsboxers Jake Lamotta, der ein autobiographisches Theaterstück aufführt, das von seiner siebten Frau geschrieben und inszeniert wurde, während er unter der Demenz leidet, die durch seinen Beruf verursacht wird. Ahya Simone bringt betörende Geschichten über Schwarze Transfrauen* auf die Bühne, in einem Zusammenspiel von Stimme, Text und ihrer Harfe – einem Symbol der Weiblichkeit und einem Instrument der Schönheit und Autonomie. Dylan Kerr’s Baptist Goth-Figur erscheint als Mischung aus einem Emo-Trap-Idol und einem katholischen Heiligen, um die »Zwischenteile« der verkörperten Sprachen von Ritual, Protest und Anbetung aufzulegen. Astrid Sonne präsentiert neues Material, das sie für ein Streichtrio – bestehend aus Bratsche, Vanessa Bedoret’s Geige und Emma Barnaby am Cello – komponiert hat, das barocke Techniken verwendet und den Gedanken erforscht, dass neue Träume entstehen, wenn Erwartungen zusammenbrechen. Mit dem Publikum als Zuschauer*in des Melodramas, das sich vor ihm entfaltet, malt das Programm »The Pleasure of Pain« ein üppiges Tableau von Körpern als Orte der Erfahrung von Missbrauch und Erhabenheit.

 

ENG

 

The Marquis de Sade was one of few French aristocrats who was spared the guillotine during the Reign of Terror that saw King Louis XVI and Marie Antoinette executed, among another ten-plus thousand political prisoners, priests, and nobility. A libertine notorious for his depravity, interpretations of de Sade’s writing range from outrageous sexual deviance to radical nihilism, and even an early form of socialism. The Pleasure of Pain evening of music and theater at Heimathafen Neukölln, draws on his idea that »it is always by way of pain one arrives at pleasure« to interrogate ideas of opulence, extravagance, and greed, and their unholy liaison with poverty, austerity, and exploitation.

Unlike Sacher-Masoch’s masochism, de Sade’s sadism draws delight from the suffering of others, and »The Pleasure of Pain« looks to the old ballroom in Rixdorf (now a part of Neukölln) to explore hedonism and vice on the margins. The historical »entertainment« district was originally a medieval outpost of the crusading Knights Templar, which became known as »Bohemian Village,« after the Protestant exiles of modern-day Czech who settled there in 1737. Rixdorf would eventually meet social »decline« and a growing reputation as a proletariat hub of debauchery at the turn of the 20th century.

The Creamcake-organized 3hd event brings a contemporary take on the lurid conduct and gaudy ostentation exemplified by both de Sade’s Late Baroque and Berlin’s Weimar decadence, as invited artists present their own unapologetically provocative and self-aware performances of queer eroticism and corrupt sensuality. BULLYACHE’s »WHO HURT YOU?« presents a performance inspired by erotic thriller »Showgirls«, working class choreographer Kenneth McMillan’s ballet »L’histoire de Manon«, and the distressing story of championship boxer Jake Lamotta performing an autobiographical play, written and directed by his seventh wife, while suffering from the dementia caused by his job. Ahya Simone weaves beguiling tales of Black trans womanhood to the stage in an interplay of voice, text, and her harp – a symbol of femininity and an instrument of beauty and autonomy. Dylan Kerr’s Baptist Goth persona arrives as a fusion of an emo trap idol and a Catholic saint to DJ the »in-between parts« of the embodied languages of ritual, protest, and worship. Astrid Sonne shares new material composed for a string trio – including viola, Vanessa Bedoret’s violin, and Emma Barnaby on cello – using Baroque techniques and exploring the belief that when expectations collapse, new dreams occur. With the audience as spectators to the melodrama unfolding before them, »The Pleasure of Pain« program paints a lush tableau of bodies as sites of experience for both abuse and exaltation.

3hd-festival.com

FestivalSaal3hd
Besetzung

Mit: Ahya Simone, Astrid Sonne, BULLYACHE und Baptist Goth

Veranstalter

Eine Veranstaltung von Creamcake e.V.

Tickets ab: 15,00 € (zzgl. VVK-Gebühren)

Bestuhlt (Saal) / Freie Platzwahl / Kein Ticketverkauf über den Heimathafen Neukölln

Dauer: ca. 4 Stunden

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